Wenn man London sagt, denkt man sofort an die Tower Bridge, an den Tower of London, an die lärmenden Doppeldecker-Busse. Aber die Stadt hat noch so viel mehr zu bieten – und das nicht nur auf festem Boden. Ich selbst habe über die letzten Jahre unzählige Stunden auf der Thames verbracht, bin von Sonne versengten Docks zu nebelverhangenen Kanälen gekrochen, habe die Stadt aus einer Perspektive erlebt, die den meisten Touristen verborgen bleibt. Für 2026 habe ich meine zehn liebsten, verstecktesten und überraschendsten Bootsrouten zusammengetragen – Routen, die nicht nur die Geschichte der Stadt zum Leuchten bringen, sondern auch ganz neue Sinneserlebnisse schenken.
Stellen Sie sich vor: Sie gleiten unter einer der wenigsten befahrenen Brücken Londons, der Wharton’s Bridge in Stratford, deren rostige Metallträger im Morgenlicht glänzen. Diese Route ist kein konventioneller Ausflug, sondern eine Erkundungstour durch vergessenes Stadtgebiet. Mein Tipp? Buchen Sie die „Moonlight Shadows“-Tour bei Thames Nocturne Expeditions (Docklands, nahe der Millennium Bridge, geöffnet täglich 10–22 Uhr). Hier fahren Sie nicht mit einer großen Fähre, sondern mit einem schlanken, offenen Holzboot, das sich durch enge Kanäle schlängelt, die selbst Einheimische nur vom Hörensagen kennen. Unterwegs erzählen Ihnen lokal engagierte Geschichtenerzähler von Smog-Ära-Geheimnissen und vergessenen Arbeiterkolonien. Die Route führt Sie vorbei an stillgelegten Werften, wo heute nur die Möwen kreischen, und an versteckten Gärten, die von Anwohnern in verlassenen Hafenbecken angelegt wurden. Ein echtes Highlight? Der Stopp an der Camberwell Flood Barrier, wo Sie von oben auf das sich windende Flussbett blicken können – ein Moment, der Sie die gewaltige Kraft der Thames auf ganz neue Weise spüren lässt.
Wer Geschichte liebt, kommt an der „Lost Wharfs“-Route nicht vorbei. Mit dem Historic Thames Trust (Anlegestelle bei Tower Pier, geöffnet April–Oktober tägl. 9–19 Uhr) fahren Sie auf einem restaurierten Dampfschiff aus dem 19. Jahrhundert – ja, es dampft wirklich! – zu den ehemaligen Handelsposten, die heute unter Wasser liegen. Ich erinnere mich noch vividly daran, wie mein Begleiter, ein pensionierter Hafenmeister, uns an der Middlesex Wharf Site von den rauen Seeleuten erzählte, die hier einst Kohle aus den Kolonien entluden. Die Tour incluye originalgetreue Karten aus dem Jahr 1887 und einen Stopp an der West India Docks Conservation Area, wo Sie Spuren von Handelsroutes von Afrika bis Indien entdecken können. Historische Schilderungen werden durch Fundstücke aus dem London Museum ergänzt – ein einzigartiges Erlebnis für alle, die mehr wollen als nur einen Blick auf die Tower Bridge.
Für ein romantisches Abendessen ganz unter vier Augen bietet sich die „Green Oars“-Kapsel an – eine glasüberdachte, solarbetriebene Kabine, die sich wie ein schwimmendes Zelt über die Wasserfläche schiebt. Buchbar ist die Route bei Eco-Thames Voyages (Startpunkt: Greenwich Peninsula, geöffnet März–November). Während Sie langsam über das glasklar reflektierende Wasser gleiten, serviert Ihnen ein privater Sommelier regionale Weine und kleine Häppchen auf Biotisch. Die Route führt Sie an versteckten Ufern vorbei, an denen Sie aussteigen und Hand in Hand über wildblumenbesetzte Wiesen spazieren können. Besonders magisch ist der Abend, wenn die Sonne hinter den Docklands untergeht und das Licht die silbrigen Dächer der City in Gold taucht. Ein perfektes Setting für Paare, die nicht nur die Stadt, sondern auch ihre Beziehung auf eine ganz neue Ebene heben wollen.
Wer Londons Nachtleben aus einer anderen Perspektive erleben möchte, ist bei Nocturne Thames genau richtig. Die „Blackwater Express“-Tour (Abfahrt ab Waterloo Bridge, 22–4 Uhr morgens, buchbar unter nocturne-london.co.uk) bringt Sie mit einem fast lautlosen Elektrowasserfahrzeug zu den von Straßenlaternen nur spärlich erhellten Ufern. Hier sehen Sie die Stadt, wie Sie selten jemand sieht: Die Silhouette der St. Paul’s Cathedral im Nebel, die Reflexionen der Lichtreklamen der West End-Theater auf schimmerndem Wasser, die gelegentlichen Feuer der nächtlichen Grillstände der Obdachlosen – ein rawes, authentisches Bild Londons nach Mitternacht. Mein persönlicher Tipp? Nehmen Sie einen warmen Poncho mit und lassen Sie sich überraschen von den spontanen Jazz-Improvisationen, die manchmal von den Brücken herunter zu hören sind.
Familien mit Kindern brauchen nicht auf den Spaß zu verzichten – die „Paddle & Picnic“-Tour von Family Thames Adventures (Start: Hampton Court Pier, geöffnet April–September, 10–18 Uhr) ist perfekt für kleine Entdecker. Mit einem robusten Holz-Rundrumpf-Boot fahren Sie auf das weniger frequentierte King’s River, ein Nebenarm der Thames, der durch Auenlandschaften führt. An Bord gibt es eine Picknickhütte mit Spielplatz und einer professionellen Köchin, die frische Sandwiches und Obstteller zubereitet. Die Kinder können sicher im flachen Wasser spielen, während die Eltern die friedliche Landschaft genießen. Ein Highlight ist der Stopp an der Bourne Eyot, einer kleinen, bepflanzten Insel, auf der Sie Picknickspiele und eine kleine Schlauchbootfahrt machen können. Die Tour endet mit einem gemeinsamen Abschiedsgesang – meine Kinder reden noch immer davon!
Wenn Sie nach Exklusivität suchen, dann ist die „Gourmet Glide“-Kapsel von Thames Luxe Cruises (Anlegestelle: Chelsea Bridge Wharf, geöffnet ganztägig, buchbar unter thamesluxe.co.uk) das Richtige. In einer schwimmenden, sternförmigen Kabine aus Mahagoni und Glas genießen Sie ein dreigängiges Menü von Sternekoch Marco Bellini, während Sie an versteckten Privat-Anlegestellen vorbeikommen, die sonst keiner zu sehen bekommt. Ich werde nie den Moment vergessen, als uns der Wein Sommelier zwischen den Bäumen des Hampton Court Garden Docks einen seltenen Riesling aus der Mosel servierte, während das Licht langsam den Palast erstrahlen ließ. Die Route ist flexibel – Sie können sogar einen privaten Koch für spezielle Diäten oder kulturelle Themen buchen. Wer nach einem Abend in den West End-Theatern noch einen letzten, unvergesslichen Eindruck haben will, findet ihn hier.
Für die Abenteurer unter Ihnen: Die „Forgotten Channels“-Expedition von Urban River Explorers (Start: Old Ford Lock, geöffnet ganzjährig, Termine unter urbanriverexplorers.co.uk) führt Sie auf die beinahe verschwundenen Wasserwege, die heute nur noch von Fledermäusen und Wasserratten belebt werden. Mit einem robusten Kajak oder einem kleinen Motorboot fahren Sie durch den Lee Navigation Canal, einen schmalen, von Schilf gesäumten Kanal, der unter Autobahnbrücken und stillgelegten Fabrikruinen verläuft. Sie machen Stopps an geheimen Quellen, wo Sie Wasserproben nehmen können, und an verlassenen Anlegestellen, auf denen Sie die Überreste von Arbeitervierteln entdecken. Die Tour ist körperlich aktiv – Sie paddeln selbst – aber die Geschichten, die Sie hören, und die atemberaubenden Perspektiven machen jeden Muskelschmerz wett. Ein echtes Abenteuer für alle, die London nicht nur sehen, sondern spüren wollen.
Was wäre eine romantische Bootsfahrt ohne persönliche Note? Bei Moonlight Thames Charters (Anlegestelle: Putney Bridge, geöffnet April–Oktober, buchbar unter moonlightthames.co.uk) können Sie Ihre eigene Route zusammenstellen – von der Wahl des Bootstyps (Ruderboot, Segelboot, sogar ein historisches Ruderboot) bis hin zum geplanten Stopp an einem privaten Garten oder einer stillgelegten Brücke. Ich habe selbst einmal eine solche Tour für meinen Partner gebucht: Wir starteten bei Sonnenuntergang, ruderten langsam zum Hampton Court Palace, wo wir unter den alten Weiden ein Picknick machten, und endeten mit einem Spaziergang durch die stillen Gassen von Richmond. Die Möglichkeit, jeden Moment nach Ihren Wünschen zu gestalten, macht diese Tour zu einem einzigartigen Erlebnis – perfekt für Hochzeitsversprechen oder einfach für einen unvergesslichen Abend zu zweit.
Auch Solo-Reisende kommen nicht zu kurz: Die „Solo Sail“-Tour von Budget Thames Voyages (Start: Blackfriars Bridge, geöffnet tägl. 10–18 Uhr, Tickets ab £25 unter budgetthames.co.uk) bietet kleine Gruppen von Maximal fünf Personen eine erschwingliche Fahrt zu den verborgensten Ecken. Mit einem kompakten Motorboot fahren Sie zu Orten wie dem Clerkenwell Canal, wo Sie die stille, von Graffiti überzogene Uferwelt genießen können, oder zum Old Ford Locks, einem fast vergessenen Wassersportgebiet im Osten Londons. Die Touren sind informell, oft mit lokalen Künstlern oder Musikern, die spontan an Bord kommen. Ideal für Solo-Reisende, die neue Kontakte knüpfen und die Stadt aus einer frischen Perspektive erleben wollen.
Nachhaltigkeit steht 2026 im Fokus – und die „Solar Glide“-Tour von Green River London (Anlegestelle: Greenwich Peninsula, geöffnet März–November, buchbar unter greenriverlondon.co.uk) zeigt, wie Eco-Tourismus aussehen kann. Mit einem komplett solarbetriebenen Katamaran fahren Sie leise und emissionsfrei zu den weniger frequentierten Ufern des Merrimack River Arms. An Bord gibt es Bildungsstationen zu Wasserökologie und nachhaltigem Tourismus – sogar Wasserproben können entnommen werden. Ein Highlight ist der Stopp an der Rainville Wetland Reserve, einem neu angelegten Feuchtgebiet, das als Lebensraum für seltene Vogelarten dient. Die Tour ist nicht nur gut für den Planeten, sondern auch inspirierend für jeden, der mehr über nachhaltiges Reisen erfahren möchte.
2026 bringt nicht nur neue Bootstechnologien – Solargetriebene Fahrzeuge, elektrische Wasserfahrzeuge, sogar autonome Schiffe – sondern auch ein wachsendes Bewusstsein für die versteckten Schätze der Thames. Die Stadt öffnet sich immer mehr für nachhaltige Tourismusformate, und die Routen, die ich Ihnen hier vorstelle, spiegeln diese Entwicklung wider. Ob Sie ein Geschichtsbuff, ein Romantik-Suchender, ein Familienvater oder ein Solo-Abenteurer sind – die Thames hat für jeden etwas zu bieten, und 2026 ist das Jahr, um diese verborgenen Pfade zu entdecken.
Ich selbst plane bereits meinen nächsten Ausflug – vielleicht auf die „Solar Glide“-Tour, um die neu angelegten Feuchtgebiete bei Rainville zu sehen. Die Thames ist mehr als nur ein Fluss; sie ist ein lebendiger Organismus, eine Geschichte, die sich jeden Tag neu schreibt. Und mit diesen zehn Routen haben Sie den Schlüssel, um London aus einer Perspektive zu erleben, die Sie nie vergessen werden.